Gecancelte Richterwahl: Stellungnahmen und Fotos zum Protest am 11.07.2025

Eigentlich ist eine Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Formsache. Doch die geplante Wahl am vergangenen Freitag von drei neuen Richtern im Plenum des Deutschen Bundestages wurde zum Fiasko. Und das lag vor allem an einer Personalie: Frau Prof. Frauke Brosius-Gersdorf war für viele Abgeordnete der Union auch bei bestem Willen nicht wahlbar. Ihre Aussagen zum Thema Abtreibung, die sie in der Vergangenheit geäußert hatte, waren skandalös. Bereits im Februar sagte die 54-Jährige: „Meines Erachtens gibt es gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.“ Sie gehörte auch der Reformkommission zum Abtreibungs“recht“ an und vertritt die Auffassung, dass die Tötung ungeborener Kinder durch Abtreibung komplett aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden sollte. Die Annahme, dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert, hält sie für einen biologistisch-naturalistischern Fehlschluss. Für großen Unmut sorgte auch die Äusserung des christdemokratischen Bundeskanzlers Merz bei der Fragestunde des Deutschen Bundestages am Mittwoch. Auf die Frage der AfD-Abgeordneten Beatrix von Storch, ob er es mit seinem Gewissen vereinbaren könne, eine Kandidatin zu wählen, „für die die Würde eines Menschen nicht gilt, wenn er nicht geboren ist“, antwortete er: „Auf Ihre hier gestellte Frage ist meine ganz einfache Antwort: Ja!“

Für uns Lebensrechtler und weite Teile der Gesellschaft war nun das Maß voll. Der Bundesverband Lebensrecht, die Aktion Lebensrecht für Alle, die Jugend für das Leben und wir von Pro-Life-Berlin begannen zu mobilisieren und kurzfristig eine Gegendemonstration vor dem Paul Löbe Haus und dem Reichstag zu organisieren. Zudem animierten wir dazu, Briefe und E-Mails an die Abgeordneten zu schreiben und sie darum zu bitten, von der Wahl von Frau Prof. Frauke Brosius-Gersdorf abzusehen. Am Freitag vormittag kamen dann noch (unbestätigte) Plagiats-Vorwürfe gegen Frau Prof. Frauke Brosius-Gersdorf auf und verbreiteten sich in Windeseile in den Redaktionsstuben der bundesdeutschen Nachrichtenagenturen und Newsportalen. Rund 50 Unionsabgeordnete waren nun nicht mehr bereit, Frau Prof. Frauke Brosius-Gersdorf zu wählen. Die Wahl wurde von der Tagesordnung genommen und soll nun nach der Sommerpause des Bundestages im September stattfinden. Viele gute Gründe sprechen dafür, dass Frau Prof. Frauke Brosius-Gersdorf auch nach der Sommerpause nicht gewählt wird oder sie ihre Kandidatur zurückzieht.

11. Juli 2025: Ein guter Tag für alle ungeborenen Kinder. Herzlichen Dank an alle, die für das Lebensrecht aller Menschen durch Wort und Tat eingetreten sind.

Stellungnahme vom 11.07.2025 durch die Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) e.V. Cornelia Kaminski:

„Die Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) e.V. begrüßt ausdrücklich, dass die CDU/CSU-Fraktion ihre Unterstützung von Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorf bei der heutigen Wahl zur Richterin am Bundesverfassungsgericht zurückgezogen hat. Zu diesem Ergebnis hat maßgeblich der breite und entschlossene Protest der Lebensrechtsbewegung beigetragen.

Die Ereignisse der vergangenen zwei Wochen haben eindrucksvoll gezeigt, dass das mediale Trommelfeuer, mit dem seit Jahren dem ungeborenen Kind Lebensrecht und Würde abgesprochen und für eine radikalliberale Abtreibungsregelung geworben wurde, letztlich erfolglos geblieben ist. Die Menschen in unserem Land wissen zutiefst, dass ohne den Respekt vor der Würde eines jeden Einzelnen – ob geboren oder ungeboren – unser Rechtsstaat keinen Bestand haben kann. Das Lebensrecht ungeborener Kinder ist ihnen keineswegs egal. Jede Regierung, die sich anschickt, daran zu rütteln, sollte sich diese Tage im Juli in Erinnerung rufen und wissen: Das Grundwissen um Menschenwürde und Lebensrecht ungeborener Kinder ist unerschütterlich und fest im Bewusstsein der Menschen verankert.

Wir sind überzeugt: Wer das Lebensrecht der Schwächsten nicht achtet, stellt sich gegen das Fundament unseres Grundgesetzes. Die Nominierung von Kandidatinnen, die in der Vergangenheit durch Äußerungen und Positionen aufgefallen sind, welche die Unantastbarkeit der Menschenwürde und insbesondere das Recht auf Leben ungeborener Kinder in Frage stellen, ist ein Angriff auf die Grundwerte unserer Gesellschaft.

Die SPD hat mit ihrem Vorgehen das Ansehen und die Integrität des Bundesverfassungsgerichts auf‘s Spiel gesetzt und die Richterwahl in einer Weise politisiert, die jede Kritik an anderen Ländern als heuchlerisch entlarvt. Es ist offensichtlich, dass die SPD bereit war, für parteipolitische Zwecke die Grundrechte der Menschen in Deutschland und vor allem die Menschenwürde ungeborener Kinder zu opfern. Unser Dank geht an all‘ die Abgeordneten, die heute den Mut hatten, ihrem Gewissen zu folgen und einer Kultur des Todes, die mit Brosius-Gersdorf im Bundesverfassungsgericht Einzug gehalten hätte, die Stirn zu bieten.

Wir danken allen, die sich in den letzten zwei Wochen unermüdlich für die Menschenwürde und die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts eingesetzt haben. Ihr Engagement hat gezeigt, dass gesellschaftlicher Widerstand Wirkung zeigt und Grundrechte keine Verhandlungsmasse sind.

Die ALfA wird weiterhin allen Schwangeren in Not mit umfassender Hilfe zur Seite stehen und sich mit aller Kraft für den Schutz der Menschenwürde und des Lebensrechts einsetzen. Wir rufen alle Menschen auf, uns dabei zu unterstützen, wachsam zu bleiben und gemeinsam für die Grundwerte unseres Rechtsstaates einzustehen. Bei den Märschen für das Leben in Berlin und Köln am 20. September ist dazu die nächste Gelegenheit.“

Stellungnahme vom 11.07.2025 durch die Vorsitzende des Bundesverband Lebensrecht (BVL), Alexandra Linder:

„Seit Wochen hatten als erstes Lebensrechtsorganisationen, dann auch kirchliche Vertreter und gesellschaftspolitische Verbände sachlich auf die bedenklichen Positionen von Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorf gegenüber der inhärenten Menschenwürde und dem Lebensschutz hingewiesen. Wer das wie Herr Wiese (SPD) eine „Hetzkampagne von rechten, sogenannten Lebensschützern“ nennt, bedient sich selbst solcher Verhaltensweisen, um seriöse demokratische Debatten mundtot zu machen. Mit ihren Positionen disqualifiziert sich Frau Brosius-Gersdorf selbst als Richterin am Bundesverfassungsgericht, das als Hüterin unseres Grundgesetzes auf Grundlage einer umfassenden, inhärenten, nicht interpretierbaren Menschenwürde fungiert. Und nur darum geht es.

Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Frau Schwesig, sagte, dass es hier um den „Rechtsstaat“ gehe. Genau deshalb war Frau Brosius-Gersdorf von Beginn an keine geeignete Kandidatin für dieses Amt. Ob das Prozedere insgesamt „dilettantisch“ war, wie die Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Britta Haßelmann, es bezeichnete, oder ob man offenbar davon ausging, dass die Abgeordneten der CDU/CSU (und sicherlich auch einige der SPD) ohne Widerstand oder Reflexion immer mehr ethische Positionen aufgeben würden, um die von Anfang an nicht funktionierende Koalition zu retten, mag dahingestellt bleiben. Tatsache ist, dass führende Fraktionsleute und der Bundeskanzler offenbar bedenkenlos bereit waren, jemanden ins höchste Richteramt zu wählen, der die inhärente Menschenwürde für einen „biologistisch-naturalistischen Fehlschluss“ hält und der Ansicht ist, der Lebensschutz sei davon „entkoppelt“. Dass jetzt offiziell nicht Frau Brosius-Gersdorfs Haltung gegenüber der Menschenwürde und dem Lebensschutz vorgeburtlicher Kinder zum Debakel im Bundestag führte, sondern angebliche Plagiatsvorwürfe, trägt zum peinlichen Trauerspiel ebenso bei wie die Erhebung der Angelegenheit zum Frauendiskriminierungsfall. Dass in letzter Minute viele Abgeordnete dankenswerterweise ihrem Gewissen folgten, ist jedoch entgegen vielen Äußerungen ein guter Tag für die Demokratie.

Der Bundesverband Lebensrecht wird seine Aufgabe als Verteidiger der Menschenwürde und des Lebensrechts aller Menschen weiterhin konsequent und sachlich wahrnehmen. Herzlichen Dank an die 120 Teilnehmer unserer heutigen Demonstration vor dem Bundestag. 

Wir laden herzlich zum bundesweit größten öffentlichen Eintreten für die Menschenwürde ein: Zum Marsch für das Leben am 20. September in Berlin (Washingtonplatz/Hbf) und Köln (Neumarkt)!“

Auch Bischof Dr. Stefan Oster SDB und Bischof Dr. Rudolf Voderholzer äußerten sich zur Wahl der drei Richterinnen und Richter für das Bundesverfassungsgericht:

„Unser Grundgesetz ist maximal inklusiv. Jedem Menschen wird unabhängig von seiner Lebenssituation Menschenwürde und das Recht auf Leben zugesprochen. Ausschlüsse davon kann und darf es unter keinen Umständen geben. Dies unbedingt zu garantieren, ist die Pflicht des Staates.

Wer die Ansicht vertritt, dass der Embryo oder der Fötus im Mutterleib noch keine Würde und nur ein geringeres Lebensrecht habe als der Mensch nach der Geburt, vollzieht einen radikalen Angriff auf die Fundamente unserer Verfassung. Ihm oder ihr darf nicht die verbindliche Auslegung des Grundgesetzes anvertraut werden. 

Jede Relativierung von Art. 1 GG muss ein Ausschlusskriterium für die Wahl zum Richter oder zur Richterin des Bundesverfassungsgerichts sein. 

Es darf in Deutschland nie wieder Menschen zweiter Klasse geben.“